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Oft gehörte Argumente - Allgemeines über klinische Studien


Weder ist eine gezielte Wirksamkeit teils vollkommen wirkstofffreier Homöopathika nach den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu erwarten, noch lässt sich eine Überlegenheit über Placebo stabil und reproduzierbar nachweisen.[1][2][3] Naturwissenschaftliche Theorie und praktische Überprüfung in klinischen Studien ergänzen sich zu einem stimmigen Gesamtbild.

Dem gegenüber finden sich auf den Webseiten von Homöopathen und homöopathischen Verbänden immer wieder Einwände gegen diese Erkenntnis. Diese Aussagen werden nicht nur dort direkt an die Patienten herangetragen, sondern auch häufig in Pressemitteilungen, Fernsehberichten oder Zeitschriftenartikeln verbreitet. Entsprechend oft werden sie in Diskussionen auch von Laien benutzt. Da man ihnen immer wieder begegnet, lohnt sich für den Patienten ein genauer Blick auf diese Aussagen, ihr Zutreffen und ihre tatsächliche Aussagekraft.

Die häufig vorgebrachten Einwände zugunsten der Homöopathie lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die hier in mehreren Artikeln behandelt werden:

  1. Es wird mit persönlich erlebten Genesungen argumentiert oder mit der Beliebtheit der Homöopathie.
  2. Der Placebocharakter der Homöopathika wird aufgrund zumeist unzutreffender, aber weitverbreiterter Vorstellungen über den Placebo-Effekt angezweifelt.
  3. Die Aussagekraft und Seriosität klinischer Studien wird allgemein oder zumindest in Bezug auf die Homöopathie angezweifelt.
  4. Es wird auf einzelne Arbeiten verwiesen, in denen sich Effekte der Homöopathie über Placebo-Effekte hinaus ergaben.
  5. Wissenschaftliches Arbeiten wird insgesamt als dogmatisch oder unzuverlässig dargestellt.

n diesem Artikel wird die dritte Kategorie betrachtet, also Aussagen, die sich auf verbreitete Vorstellungen über klinische Studien beziehen. Mit den anderen Kategorien beschäftigen sich die weiteren verlinkten Teilartikel.



Der Begriff der wissenschaftlichen Studie wird in der Presse oft inflationär und werbewirksam für alle möglichen Werbeumfragen benutzt. Dementsprechend schwer ist oft vermittelbar, dass mit hochwertigen randomisierten, placebokontrollierten und mehrfachverblindeten klinischen Studien tatsächlich ein Messinstrument vorliegt, das viel weniger fehleranfällig ist als persönliche Eindrücke und Erfahrungen.


Aussage Wissenschaftliche Erklärung

Ich brauche keine Studien. Ich vertraue lieber dem gesunden Menschenverstand und meiner Erfahrung.

Der Arzt Mark Crislip weist in seinen Artikeln immer wieder darauf hin, dass die drei gefährlichsten Worte der Medizin lauten „Meiner Erfahrung nach...“[4]

Persönliche Erfahrungen hinterlassen starke Eindrücke und wirken unmittelbar überzeugend – überzeugender als abstrakte Statistik und Daten. Nur mühsam hat sich im Lauf der Medizingeschichte herauskristallisiert, dass erlebte Besserungen nach Behandlungen nicht immer wegen dieser Behandlung stattfinden. Erfahrungen sind natürlich immer subjektiver Natur und deshalb von der Perspektive des Beobachters, seiner eventuellen Wahrnehmung möglicher Störgrößen, anderer Wirkfaktoren und seiner Erwartung mitgeprägt. Subjektive Erfahrungen liefern deswegen im besten Falle eine Hypothese, was gewirkt haben könnte; aufgrund der vielen im Laufe der Zeit erkannten systematischen Trends, die subjektive Erfahrungen verfälschen können, sind sie aber zu irrtumsanfällig, um als Beleg dienen zu können. Nur weil die Medizin diese Vielfalt an Irrtumsmöglichkeiten anerkannt hat, sind mit den klinischen Studien aufwändige Verfahren entwickelt worden, um zu „kontrollierter“, „geregelter“, d.h. wissenschaftlicher, therapeutischer Erfahrung zu gelangen.[5]

Studien stehen also nicht im Gegensatz zur Erfahrung, sondern vergleichen therapeutische Erfahrungen in einer Weise, die sich dabei bewährt hat, bekannte verfälschende Faktoren zu minimieren.

Zu den aus der Psychologie bekannten und vollkommen unbewusst ablaufenden Einflussfaktoren auf die Erfahrung zählen beispielsweise der Bestätigungsfehler[6][7], die zeitliche Korrelation[8] oder die Mustererkennung.[9] Wenngleich jeder den Eindruck hat, die eigene Erfahrung sei vollkommen frei von verfälschenden Faktoren, so lässt sich doch nachweisen,[10] dass in Studien, die diese bekannten Störfaktoren nicht ausreichend minimieren (weil sie zum Beispiel nicht randomisieren oder verblinden), Arzneimittelwirkungen systematisch überschätzt werden. Dasselbe gilt deswegen auch für die vollkommen ohne Vergleich gemachten eigenen Erfahrungen.

Wäre es zu einer realistischen Einschätzung von Arzneimittelwirkungen nicht völlig unabdingbar, hochwertige Studien heranzuziehen,[11][12] würden Pharmaunternehmen kaum bereit sein, Millionenbeträge in ihre Durchführung zu investieren.

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Mit Studien kann man doch alles belegen – und man weiß nicht einmal, wer dafür bezahlt hat.

Studien sind statistische Messinstrumente, deren Ergebnis besagt, wie wahrscheinlich es ist, ob ein zwischen zwei oder mehr Gruppen gemessener Unterschied zufällig oder wirklich aufgrund der getesteten Behandlung zustande kam. Da das Ergebnis also eine Wahrscheinlichkeitsaussage ist, ist es auch mit einer gewissen Irrtumswahrscheinlichkeit behaftet und daher für statistik-beeinflussende Messfehler anfällig. Das ist der Evidenzbasierten Medizin seit langem bewusst. Eine hochwertige Arbeit ist deshalb auch daran zu erkennen, dass sie sich mit dieser Problematik auseinandersetzt und die Autoren in der Arbeit vollständig offen legen, welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um falsche Ergebnisse zu vermeiden, warum sie gerade diese Maßnahmen gewählt haben, welche Daten die Messungen ergaben und welche Fehlerquellen trotz aller Maßnahmen noch denkbar wären.

Evidenzbasierte Medizin bedeutet also auch, dass man sich mit der Aussagekraft und den Fehlermöglichkeiten (Risk of Bias[B 1]) klinischer Studien detailliert und kritisch auseinandersetzt. Dank solcher Untersuchungen weiß man, welche Fehlerquellen überhaupt denkbar sind,[13] wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, bei mangelnder Verblindung oder Randomisierung eine Arzneimittelwirkung zu überschätzen[10] oder wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Ergebnis wenig belastbar ist, zum Beispiel weil die Studie zu wenig Teilnehmer hatte.[14]

Zudem gibt es von den Herstellerfirmen unabhängige Institute, die eigene, unabhängige Untersuchungen in Auftrag geben oder vorgelegte Evidenz kritisch prüfen. In Deutschland ist dies beispielsweise das IQWiG (Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen).[15] International tätig ist hier auch die Cochrane Collaboration.[16] Zur Beurteilung von Verfahren werden zudem nicht nur einzelne Studien, sondern die Gesamtheit aller wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einem Thema zusammengelegt (Body of Evidence). Um den publication bias (die Tendenz, Studien ohne die gewünschten positiven Ergebnisse nicht oder sehr viel später zu veröffentlichen) einzudämmen, gibt es Initiativen von Wissenschaftlern, die fordern, dass alle klinischen Untersuchungen angemeldet werden müssen, so dass ein Fehlen einer nachfolgenden Veröffentlichung auffallen würde.[17]

Dass Studien über ihren stochastischen Charakter fehleranfällig sind, ist den beteiligten Wissenschaftlern also bekannt und führt zu großen Anstrengungen, das Fehlerrisiko zu minimieren. Ärzte und Wissenschaftler, die sich mit der zur Verfügung stehenden Evidenz beschäftigen, können dementsprechend anhand verschiedener Kriterien abschätzen, ob eine Datenlage zuverlässig oder eher vage ist.

Gerade diese kritische Bewertung der vorliegenden Ergebnisse und die Diskussion möglicher verfälschender Einflüsse ist in Studien zur Homöopathie oft enttäuschend. Homöopathen bewerten Studien nicht selten vollkommen unkritisch, wenn sie nur positive Ergebnisse enthalten.[18][B 2]

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Mit einem statistischen Messinstrument – wie einer verblindeten Studie – kann man kein individuelles Verfahren wie die Homöopathie untersuchen.

Claudia Witt, Professorin für Komplementärmedizin, schreibt hierzu:

Wenn es um die alleinige Wirksamkeit der homöopathischen Arzneimittel geht, kann man diese selbstverständlich in randomisierten placebokontrollierten Studien untersuchen. Selbst die Form der ausführlichen Anamnese und Auswahl der individuellen Arznei lässt sich in diesem Studiendesign berücksichtigen, was auch schon mehrfach gemacht wurde. In diesem Fall erhalten Patienten beider Gruppen die Anamnese und der homöopathische Arzt sucht die passende Arznei aus. Die Apotheke schickt dann entweder die Arznei oder Placebo an den Patienten. Arzt und Patient wissen beide nicht, wer was bekommt.[19]

Führt man Studien wie beschrieben durch, so ist eine individuelle Arzneimittelwahl – wie in der Homöopathie üblich – in randomisierten, doppeltverblindeten und placebokontrollierten Studien problemlos möglich.

Der Einwand wird ohnehin dadurch unterhöhlt, wenn er nur und ausschließlich in Zusammenhang mit Arbeiten vorgebracht wird, die keine Placeboüberlegenheit von Homöopathika finden. Einzelne Arbeiten, die solche Unterschiede sehen, werden von seiten der Homöopathie dagegen oft als durchaus aussagekräftig dargestellt (Beispiele siehe Verweise auf konkrete Studien und Experimente). In dieser Inkonsequenz zeigt sich, dass hier weniger ein tatsächlicher Sachverhalt dargestellt wird, sondern eine Immunisierung gegen unerwünschte Ergebnisse praktiziert wird:

Schiebt man negative Ergebnisse als irrelevant beiseite, indem man sich darauf beruft, dass sie mit einem ungeeigneten Messinstrument durchgeführt wurden, dann darf man auch für die Homöopathie positive Studien nicht als Argument für eine Placeboüberlegenheit der Homöopathika benutzen. Konsequenterweise müsste man dann sogar die Durchführung solcher Studien komplett einstellen.

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Auch in der Medizin sind keineswegs die Wirkungen aller Verfahren und Präparate mit placebokontrollierten Studien nachgewiesen – warum wird es dann von der Homöopathie gefordert?

Richtig ist, dass nicht alle medizinischen Verfahren placebokontrolliert getestet werden können – zum Teil aus ethischen Gründen (i.A. bei schwersten Erkrankungen). Zu nicht unerheblichem Teil ist die Situation aber auch historisch gewachsen.

Daraus ein Argument für die Homöopathie ableiten zu wollen, ist jedoch ein Tu quoque-Fehlschluss. Nur weil aus verschiedenen Gründen einzelne Behandlungsempfehlungen innerhalb der Medizin nicht auf methodisch hochwertigen Studien beruhen, folgt daraus nicht, dass sich Angebote der Alternativmedizin von der Verpflichtung zu guten klinischen Studien ausnehmen dürfen.[20]

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Für weitere häufig vorgebrachte Aussagen
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Hinweise auf persönliche Erfahrungen, Beliebtheit und Wohlfühlcharakter
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Verbreitete Vorstellungen über den Placebo-Effekt
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Verweise auf konkrete Studien und Experimente
⇒ siehe Oft gehörte Argumente - Aussagen über Wissenschaft




Quellen- und Literaturangaben
  1. National Health and Medical Research Council. 2015. NHMRC Statement on Homeopathy, Canberra: NHMRC; 2015 (Link zum Download, das oberste Dokument in der Liste, aufgerufen am 27. November 2018)
  2. M. Anlauf, L. Hein, H.W. Hense, J. Köbberling, R. Lasek, R. Leidl: "Complementary and alternative drug therapy versus science-oriented medicine" GMS German Medical Science 13 (2015)
    https://www.researchgate.net/publication/279966284_Complementary_and_alternative_drug_therapy_versus_science-oriented_medicine (aufgerufen am 12. September 2016);
    Zitat: "Die Auswertung dieser Studien mit Methoden der evidenzbasierten Medizin, also durch Metaanalysen und systematische Reviews, ergab nach hoher internationaler Übereinstimmung für Homöopathika keine der Placebogabe überlegene Wirksamkeit"
  3. Aussage von Claudia Witt über den fehlenden Nachweis einer Placeboüberlegenheit der Homöopathika in einem Interview mit dem Tagesanzeiger 2015
    http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Ist-das-bei-Chirurgen-so-anders/story/17098489 (aufgerufen am 2.April 2016);
    Originalzitat: "... die wichtige versorgungsrelevante Information ist: Es konnte nicht gezeigt werden, dass homöopathische Arzneimittel besser wirken als Placebo."
  4. M. Crislip auf "Science-based Medicine" https://www.sciencebasedmedicine.org/two-viewpoints/ (aufgerufen am 11.Mai 2016)
  5. K.D.Bock:"Wissenschaftliche und alternative Medizin: Paradigmen — Praxis — Perspektiven", S.205, Springer Verlag 1993, ISBN 978-3-642-78171-1
  6. Definition des Bestätigungsfehlers http://lexikon.stangl.eu/3159/bestaetigungstendenz-bestaetigungsfehler/ (aufgerufen am 08. Juni 2016)
  7. Ausführliche Beschreibung des Bestätigungsfehlers aus der Dissertation Mark Schweizer, "Kognitive Täuschungen vor Gericht", http://www.decisions.ch/dissertation/diss_bestaetigungsfehler.html (aufgerufen am 26. Juli 2016)
  8. Erklärung des Unterschiedes von Korrelation und Kausalität http://www.methoden-psychologie.de/korrelation_kausalitaet.html (aufgerufen am 26. Juli 2016)
  9. Definition der Mustererkennung im Dorsch Onlinelexikon der Psychologie https://portal.hogrefe.com/dorsch/mustererkennung/ (aufgerufen am 26. Juli 2016)
  10. 10,0 10,1 K. F. Schulz, I. Chalmers, R. J. Hayes, D. G. Altman: “Empirical Evidence of Bias - Dimensions of Methodological Quality Associated With Estimates of Treatment Effects in Controlled Trials”;
    In: JAMA. 1995;273(5):408-412. doi:10.1001/jama.1995.03520290060030 http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=386770&guestaccesskey=07c3bcdf-9f6a-4b15-a975-a923e2af28b3 (aufgerufen am 12. September 2016)
  11. Übersicht über verschiedene Einflussfaktoren und Mechanismen, die Erfahrungen verfälschen können; Artikel von J. Byrne, M.D, auf "Skeptical Medicine" https://sites.google.com/site/skepticalmedicine/cognitive-biases (aufgerufen am 12.Mai 2016)
  12. Studientypen und ihre Aussagekraft; Artikel von J. Byrne, M.D, auf "Skeptical Medicine" https://sites.google.com/site/skepticalmedicine/types-of-scientific-studies (aufgerufen am 12.Mai 2016)
  13. B. Buchberger, E. v. Elm, G. Gartlehner, H. Huppertz, G. Antes, J. Wasem, J.J. Meerpohl:"Bewertung des Risikos für Bias in kontrollierten Studien"
    In: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, December 2014, Volume 57, Issue 12, pp 1432-1438; http://link.springer.com/article/10.1007/s00103-014-2065-6 (aufgerufen am 12. September 2016)
  14. D. Colquhoun:"An investigation of the false discovery rate and the misinterpretation of p-values"
    In: Royal Society Open Science, Nov. 2014. DOI: 10.1098/rsos.140216 http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/1/3/140216 (aufgerufen 12.Mai 2016)
  15. Webseite des IQWiG (Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) https://www.iqwig.de/ (aufgerufen am 25.Juni 2016)
  16. Webseite von Cochrane Deutschland http://www.cochrane.de/de/willkommen-auf-unseren-webseiten (aufgerufen am 26. Juli 2016)
  17. Webseite der Alltrials-Initiative http://www.alltrials.net/find-out-more/all-trials/ (aufgerufen am 12. September 2016)
  18. B. Goldacre "Bad Science"; HarperCollinsPublishers 2009, ISBN 978-0-00-728487-0
  19. S. Willich, C. Witt: „Informationen zur Homöopathie“, Berliner Charité, 2010 (Link zum Webarchiv, aufgerufen am 11. April 2020)
  20. N. Schmacke: "Der Glaube an die Globuli", Suhrkamp Verlag 2015, ISBN 978-3-518-46639-1


Anmerkungen und Originalzitate
  1. bias (engl.): Neigung, Vorliebe, Voreingenommenheit, auch Fehler, Verfälschung, Täuschung
  2. Originalzitat: "The literature from complementary and alternative medicine – CAM – often fails badly at the stage of interpretation: medics sometimes know if they’re quoting duff papers, and describe the flaws, whereas homeopaths tend to be uncritical of anything positive."