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Hochpotenzen

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#Die ''Kent’schen Arzneimittelbilder''.<br>[[Artikel:James_Tyler_Kent|'' James Tyler Kent'']] hat die „trockenen“ Arzneimittelbilder plastisch „ausgemalt“ und durch markante, eigene Erfahrungen anschaulich dargestellt. Diese Art der Darstellung war einprägsam und bei Studenten beliebt. Sie findet Entsprechungen in ''Georgos Vithoulkas’'' „Essenzen“<ref name="Vithoulkas">Vithoulkas, G.: „The Essence of Materia Medica“. (Jain: New Delhi 1988)</ref> oder in den „Portraits“ der homöopathischen [[Artikel:Materia_medica|Materia medica]] von ''Catherine Coulter''.<ref name="Coulter">Coulter, C. R.: „Portraits of Homoeopathic Medicines“. (Homoeopathic Educational Services: Berkeley 1986 - 1989)</ref>
  
 
Zu den Hochpotenzen zitiert ''Jost Künzli von Fimelsberg'' einen Dr. Roth im „British Journal“ 1872:<ref name="Biographie">von Fimelsberg, Jost Künzli: „Kurze Biographie Korsakofs“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 5.04 (1961): 189-192.</ref>
 
Zu den Hochpotenzen zitiert ''Jost Künzli von Fimelsberg'' einen Dr. Roth im „British Journal“ 1872:<ref name="Biographie">von Fimelsberg, Jost Künzli: „Kurze Biographie Korsakofs“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 5.04 (1961): 189-192.</ref>

Version vom 19. September 2019, 22:41 Uhr


Der Begriff Potenz bezeichnet in der homöopathischen Fachsprache im engeren Sinne die „Stärke“ eines Präparats. Die Potenzierung einer Urtinktur erfolgt durch Verdünnung und anschließende Verschüttelung. Die Anzahl der Verdünnungsdurchgänge und die Anzahl der Schüttelschläge stehen dabei in einem festen Verhältnis zueinander. Der Name der Potenz gibt allerdings nur den Grad der Verdünnung an, also etwa „C30“ für Verdünnungen im Verhältnis von jeweils 1:100, die dreißigmal nacheinander ausgeführt werden.

Im weiteren Sinne bezeichnet „Potenz“ eine Gruppe von Präparaten mit derselben oder einer sehr ähnlichen Verdünnung. Der Begriff Hochpotenzen bezeichnet folglich Präparate mit hohen Verdünnungsgraden:

  • Potenzen C1 bis C11 – entsprechend D1 bis D23 – sind „Tiefpotenzen“.
  • Potenzen C12 bis C29 – entsprechend D24 bis D59 – sind „mittlere Potenzen“.
  • Potenzen oberhalb C30 – entsprechend D60 – sind „Hochpotenzen“.

Zu den Hochpotenzen zählen insbesondere auch Hahnemanns „Kügelchenpotenzen“ („Q-Potenzen“).

Die Begriffswahl „Potenz“ soll zum Ausdruck bringen, dass nach homöopathischer Lehre durch die „richtige“ Art der Verdünnung und der Verschüttelung eine Wirkungsverstärkung gegenüber der Urtinktur eintritt. Die Art der Wirkungsveränderung bei Hoch- und Tiefpotenzen ist jedoch innerhalb der Homöopathie umstritten, zumal neben der Verstärkung der „guten“ Wirkung ja auch die Verringerung der Toxizität (Giftigkeit) der Ursubstanz zu berücksichtigen ist, d. h. die Ausgangsüberlegung der Homöopathie überhaupt. So hieß es etwa in der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung einmal:

Über das scheinbar Anstößige an den Hochpotenzen, über das Physikalisch-Naturwissenschaftliche kann ich mich verhältnismäßig kurz fassen, weil es den Vertretern der Hochpotenzen nicht das Wichtigste ist. Nach der derzeitig gültigen naturwissenschaftlichen Auffassung kann in den Hochpotenzen „nichts drin" sein, kein materieller Arzneistoff mehr enthalten sein. Das wissen die Vertreter der Hochpotenzen selbst schon längst, und es ist müßig, sie deswegen lächerlich machen zu wollen.[1]

Der schweizer homöopathische Arzt und Publizist Adolf Voegeli (1898–1993) schreibt über den Begriff „Hochpotenzen“:

Als Hochpotenzen kann man alle Mittel bezeichnen, welche nach dem Hahnemann’schen Verfahren hergestellt sind und nach den Berechnungen keine Moleküle mehr enthalten, was etwa von der C10 ab der Fall sein dürfte. Da Hahnemann fast ausschließlich die C30 benützte, können wir ihn zu Recht einen Hochpotenzler nennen. Jedenfalls arbeitete er mit molekülfreien Mitteln. Im Sprachgebrauch hat es sich allerdings eingebürgert, die Potenzen von C10 – C30 als mittlere und erst diejenigen etwa ab C100 als Hochpotenzen zu bezeichnen, ein Usus, der mit der Sache an und für sich nur wenig zu tun hat, weil ja rein chemisch gesehen zwischen diesen mittleren und den Hochpotenzen kein grundlegender Unterschied bestehen dürfte. Wir können aber aus rein praktischen Gründen diesen Usus beibehalten.[2]

Für weitere Definitionen dieser Begriffe
⇒ Siehe auch Hauptartikel D-Potenzen
⇒ Siehe auch Hauptartikel C-Potenzen
⇒ Siehe auch Hauptartikel Q-Potenzen
⇒ Siehe auch Hauptartikel Potenzen
⇒ Siehe auch Hauptartikel Tiefpotenzen
⇒ Siehe auch Hauptartikel Potenzieren

Entwicklung bei Hahnemann

Samuel Hahnemann (1755–1843), der Begründer der Homöopathie, begann zunächst mit einfachen Arzneiverdünnungen. Er machte aber Erfahrungen, die ihn veranlassten, die Verdünnungsgrade immer weiter zu steigern. Hahnemann hatte für die Steigerung der Verdünnungsgrade vorwiegend drei Gründe:[3]

1. die Beobachtung der heftigen Überreaktionen seiner Patienten auf das allopathisch dosierte Simile
2. die Beobachtung, daß bei homöopathisch zutreffender Arzneiwahl selbst die verdünnten Arzneilösungen immer noch zu heftige Wirkungen auslösten, und

3. um toxische Arzneiwirkungen zu vermeiden.

Hahnemann hatte beobachtet, dass auch im Bereich höherer Potenzen immer wieder allzu heftige Reaktionen aufgetreten seien. In Unkenntnis der Loschmidt’schen Zahl, gleichbedeutend der Avogadro-Konstante, die erst 1865, also 22 Jahre nach Hahnemanns Tod entdeckt wurde, hielt er die Reaktionen weiterhin für toxische Wirkungen und kam zu höheren Potenzen. Höhere Potenzen als C30 (dreißigmal um 1:100 verdünnt) hat er allerdings über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren – bis zum 10.09.1838 – nicht verwendet. Die Potenz C30 bildete also ein Plateau, das 20 Jahre lang Bestand hatte.[4]

Hahnemann hielt aber nicht alle Potenzstufen für gleich wirksam. Nach Pierre Schmidt habe Hahnemann beobachtet, …

… daß im allgemeinen die zweite, die vierte und die siebente Potenz sozusagen eine ‚abgeflachte’, herabgesetzte, reduzierte, verminderte Wirkung – in gewählter Sprache müßte man sagen: eine nicht übermäßig starke Wirkung, entfalteten, und daß auch gewisse Abstände zwischen den einzelnen Potenzen liegen mußten. Aus diesem Grunde enthielt seine Hausapotheke auch nur folgende Potenzen: 1 – 3 – 6 – 9 – 12 – 18 – 24 und 30.[5]

Nach dem 14.09.1838 hat Hahnemann dann nur noch Hochpotenzen verwendet. Auch ohne die Kenntnis der Loschmidt’schen Zahl darf man davon ausgehen, dass Hahnemann bei Potenzen jenseits der C100 davon ausgegangen ist, dass eine materielle Wirkung nicht mehr vorliegen könne.[6]

Hahnemann fürchtete die Giftwirkung von „Arsenicum album“, einer Arsenverbindung, die seit der Antike sowohl als Arzneimittel als auch als Mordgift gebräuchlich war. Deshalb war es Arsenicum, das er als erste Arznei in die höchsten Verdünnungen potenzierte, um die „allzu kräftigen“ Wirkungen zu vermeiden.[7]

Hahnemann ergänzte später seine homöopathischen Prinzipien:

  1. Die Lebenskraft und ihre Verstimmung.
    Dieses Konzept taucht erst im letzten Drittel der 60jährigen Schaffensperiode Hahnemanns auf.[8]
  2. Das Potenzieren.
    Hahnemann war der Placeboeffekt von reinem Milchzucker bekannt. Er nahm aber das Phänomen der Wirkung ohne eine derartige Interpretation zur Kenntnis und erklärte, dass er es selbst nicht verstehe.[9] 1821 entwickelte er das Konzept, dass beim Verreiben und Verschütteln nicht nur eine Verdünnung, sondern auch eine „Vergeistigung“ der Arznei stattfinde. 1827 nannte er das Verfahren „Potenzieren“. Beim Potenzieren würden die „schlummernden Arzneikräfte“ freigesetzt.
  3. Die Psora-Theorie.
    Hahnemann entwickelte sie 1828 im Alter von 73 Jahren. Nach dieser Theorie sollten alle nicht-venerischen chronischen Krankheiten auf einer früheren Ansteckung mit Krätze beruhen. Obwohl er die Krätz-Milbe bereits 36 Jahre zuvor beschrieben hatte,[10] erwähnte Hahnemann die Milbe nicht, sondern sah in der „Krätze“ eine ähnliche Erkrankung wie die „Syphilis“: Beginn zunächst an der Haut, oberflächlich, später Aktivierung der im Inneren des Organismus schlummernden „Gesamtkrankheit“.[11]
  4. Gegen Ende seines Lebens entwickelte Hahnemann seine „Kügelchenpotenzen“ („Q-Potenzen“), die sich in der Herstellung, in den Verdünnungsgraden und in der Intensität der „Dynamisierung“ (Zahl der Schüttelschläge) grundsätzlich von seiner bisher praktizierten Methode unterschied.

Während Hahnemann in seinen frühen Jahren sehr eindeutig den Standpunkt vertrat, die innere Natur der Krankheiten sei unerkennbar, änderte er diese Ansicht im hohen Alter von 72 Jahren und sagte jetzt, Krankheit sei eine geistartige Verstimmung des Lebensprinzips. Sinngemäß musste dann für die Heilwirkung der Arzneistoffe ebenfalls ein geistartiges Etwas postuliert werden. Hahnemann glaubte, dieses geistartige Etwas der Arzneistoffe lasse sich durch sein Verdünnungsverfahren von der Materie trennen und auf diese Weise besonders kräftig zur therapeutischen Wirksamkeit bringen.[1]

Weitere Entwicklung der Homöopathie bei Hahnemanns Schülern und Nachfolgern

Die homöopathischen Regeln wurden später durch andere Homöopathen ergänzt:

  1. Die Hering’sche-Regel.
    Symptome treten von oben nach unten, von innen nach außen auf und verschwinden in umgekehrter Reihenfolge wieder.[11]
  2. Die Ultrahochpotenzen.
    Korsakow, Jenichen, Swan, von Fincke, Skinner, Allen und andere trieben die Potenzen in absurde Höhen.
  3. Die Kent’schen Arzneimittelbilder.
    James Tyler Kent hat die „trockenen“ Arzneimittelbilder plastisch „ausgemalt“ und durch markante, eigene Erfahrungen anschaulich dargestellt. Diese Art der Darstellung war einprägsam und bei Studenten beliebt. Sie findet Entsprechungen in Georgos Vithoulkas’ „Essenzen“[12] oder in den „Portraits“ der homöopathischen Materia medica von Catherine Coulter.[13]

Zu den Hochpotenzen zitiert Jost Künzli von Fimelsberg einen Dr. Roth im „British Journal“ 1872:[14]

Diese unglückliche und mystische Idee von einer Entmaterialisierung der Arzneien und von der Überführung einer materiellen medizinischen Substanz in den Zustand einer immateriellen, geistartigen Arzneikraft, die sich als größtes Hindernis für eine rationelle Entwicklung der Homöopathie herausgestellt hat, bewog einen Laien, den russischen Grafen Korsakof, tausend unarzneiliche Streukügelchen mit jener Arzneikraft quasi zu ,infizieren', die ein einziges, vorher mit dem dreihundertsten Teil eines Tropfens der l00sten Centesimalpotenz einer Arznei gesättigtes Kügelchen auf sich trug, so daß dann alle tausend ebenfalls arzneikräftig wären; dies war der verderbliche erste Schritt in Richtung der ungeschickten Hochpotenzen.

Die Herstellung ultrahoher Potenzen wurde erst möglich gemacht durch die Einführung der „Einglas-Methode“ nach Korsakow. Anstatt für jede Potenzstufe ein neues Gläschen zu verwenden, benutzte Korsakow nur ein Gläschen, das er im Wechsel „mit einem kräftigen Armschlag“ entleerte, mit 99 Tropfen Dilutionsflüssigkeit wieder auffüllte und mit Schüttelschlägen „dynamisierte“. Bei der Entleerung des Gläschens durch den „kräftigen Armschlag“ blieb etwa 1 Tropfen der potenzierten Ausgangslösung durch Adhäsionskräfte an der Wandung. Es handelt sich also um eine „C-Potenz“ mit einem Verdünnungsverhältnis von 1:100.[15]

⇒ Siehe auch Hauptartikel Korsakow-Methode

Die Einglasmethode nach Korsakow bot im Vergleich zur Mehrglasmethode nach Hahnemann erhebliche Einsparmöglichkeiten bei Material und Zeit. Sie wurde später zum Wegbereiter maschineller Herstellungsverfahren, die wesentlich höhere Potenzen in noch kürzerer Zeit produzieren konnten.

Hahnemann jedoch war mit einer maschinellen Herstellung hoher Potenzen nicht einverstanden. In § 270 der 6. Auflage seines „Organons“ wendet er sich eindeutig gegen eine maschinelle Herstellung von homöopathischen Arzneien:

Werden aber bei einem so geringen Verdünnungsmedium wie 100:1 der Arznei sehr viele Stöße mittels einer kräftigen Maschine gleichsam eingezwungen, so entstehen Arzneien, welche, vorzüglich in den höheren Dynamisationsgraden, fast augenblicklich, aber mit stürmischer, ja gefährlicher Heftigkeit besonders auf den schwächlichen Kranken einwirken, ohne dauernde gelinde Gegenwirkung des Lebensprinzips zur Folge zu haben. Die von mir angegebene Weise hingegen (damit meint Hahnemann die Handverschüttelung), erzeugt Arznei von höchster Kraft-Entwickelung und gelindester Wirkung, die aber, wohl gewählt, alle kranken Punkte heilkräftig berührt.[16]

Behandlung mit Hochpotenzen

Nach Elisabeth Wright-Hubbard, einer amerikanischen homöopathischen Ärztin (1896–1967) solle man Patienten mit Geistes- und Gemütsbeschwerden sowie Erkrankungen mit eindeutig psychischer Ursache mit Hochpotenzen behandeln. Sie sieht die Domäne der Hochpotenzen im Bereich der funktionellen Störungen im Gegensatz zu den Tiefpotenzen, die sie für die Behandlung organischer Störungen vorsieht. Hochpotenzen sollen auch zur Behandlung akuter Erkrankungen gut einsetzbar sein. Bei akuten Verschlechterungen („Krisen“) chronischer Erkrankungen seien jedoch mittlere und tiefe Potenzen die bessere Wahl. Wenn jedoch die akuten Kristen sehr ernst seien, dann wiederum seien die Hochpotenzen besser geeignet.[17] Auch Norbert Galatzer behandelt akute Krankheiten mit Hochpotenzen. Er schreibt:[18]

Ich will vorausschicken, daß die Hauptdomäne der Behandlung mit Hochpotenzen (C30, C200 [Korsakoff], 1000, 10.000 usf.) bei den akuten Krankheiten zu suchen ist. Bei den chron. Erkrankungen, zumal bei Vorhandensein von organischen Veränderungen, beginne ich mit der C30, dieselbe im Kent’schen Sinne wiederholend, solange ein deutlicher Erfolg zu erreichen ist. Erst mit dem Erlöschen der Wirksamkeit dieser Potenz gehe ich zu einer höheren über. Funktionell sich darstellende Bilder – zumal solche mit starker Betonung von seelischen und Nervenerscheinungen – reagieren von Haus aus gut auf Hochpotenzen.

Obwohl die Hochpotenzen also zur Behandlung akuter Erkrankungen eingesetzt werden, warnt Voegeli davor, bei akuten Erkrankungen zu hohe Hochpotenzen einzusetzen:

Von Hochpotenzen ab C200 ist bei akuten Krankheiten abzuraten, denn sie wirken, wenn wirklich homöopathisch, zu schlagartig, stoppen beispielsweise Ausflüsse zu rasch ab, bevor der Infektionsherd ausgeheilt ist und können deshalb in gewissen Fällen Komplikationen verursachen.[19]

Für Voegeli scheint hier klar zu sein, dass akute Erkrankungen mit organischen Ursachen einhergehen. Galatzer hingegen sieht die Hochpotenzen jedoch in der Behandlung von chronischen Erkrankungen mit organischen Ursachen, aber auch in der Behandlung von funktionellen Störungen, so wie auch Elisabeth Wright-Hubbard.

Homöopathen schreiben den Hochpotenzen auch noch weitere Eigenschaften zu:

  1. Eine praktisch unbegrenzte Haltbarkeit. Pierre Schmidt erklärt:

    Ich will Ihnen zeigen, daß Hochpotenzen von unschätzbarem Wert sind, daß diese schwachen Gaben nie ihre therapeutische Kraft verlieren, wenn sie vor Gerüchen geschützt aufbewahrt werden und sie sorgfältig zubereitet worden sind. Ich besitze Hochpotenzen aus der Zeit Hahnemanns, von Jenichen zum Beispiel. Ich habe noch solche aus dem vorigen Jahrhundert, von Fincke, Swan, Allen, Kent, die noch immer wirksam und verläßlich sind.[20]

  2. Hochpotenzen sollen nach der Ähnlichkeitsregel eine stärkere Ähnlichkeit mit dem Krankheitsbild verlangen als Tiefpotenzen:

    Wir nehmen es gewöhnlich als bewiesene Tatsache hin, daß niedere Potenzen, um eine Wirkung zu zeigen, eine geringere Ähnlichkeit mit den Krankheitssymptomen verlangen als Hochpotenzen. Man hat schon die Tiefpotenzen mit einem Schrotschuß, die Hochpotenzen mit einem Büchsenschuß verglichen.[21]

  3. Hochpotenzen sollen eine breitere Wirkung haben:

    Wenn man aber, ohne Erfahrung in der Hochpotenzhomöopathie zu haben, hört, daß je höher die Potenz, desto breiter die Wirkung ist, kann man auf den Gedanken verfallen, durch extreme Erhöhung der Potenz das unbequeme Ähnlichkeitsprinzip umgehen zu können. Tatsächlich hat Swan dies versucht.[22]

    Für diesen Versuch ist Samuel Swan, ein amerikanischer Homöopath (1814–1893) jedoch innerhalb der Homöopathie kritisiert worden.[23]

Zusammenfassend kann man diesen Quellen also entnehmen, dass Hochpotenzen bei funktionellen Störungen und bei akuten Beschwerden eingesetzt werden, aber nicht, wenn die akuten Beschwerden Folge einer chronischen Erkrankung sind. Für akute Krisen chronischer Erkrankungen seien Tiefpotenzen die bessere Wahl, es sei denn, die akuten Krisen der chronischen Erkrankungen sind sehr ernst: In diesen Fällen seien wiederum die Hochpotenzen zu bevorzugen. Sie dürften allerdings auch nicht zu hoch sein: Oberhalb von C200 sei die Wirkung dann zu stark. Hochpotenzen erforderten eine größere Ähnlichkeit mit dem Krankheitsbild, also eine genauere und somit erschwerte Auswahl des Medikaments. Gleichzeitig verbreitere sich aber die Wirkung mit zunehmender Potenzhöhe, was die Auswahl des Medikaments erleichtert. Jedoch werden Homöopathen wie Swan dafür kritisiert, wenn sie den Gedanken fortsetzen und schlussfolgern, dass bei sehr hohen Potenzen das Ähnlichkeitsgesetz überflüssig sei und nicht mehr angewandt werden müsse.[B 1]

Übrigens ist von der laut Pierre Schmidt praktisch unbegrenzten „Mindesthaltbarkeitsdauer“ die „Wirkungsdauer“ beim Patienten zu unterscheiden: Die Zeit, die abgewartet werden muss, bevor eine Wiederholung der Gabe erlaubt ist:

Nach vielen Jahren hat Kent die durchschnittliche Wirkungsdauer seiner Hochpotenzen, deren Ablauf vor jeder Wiederholung einer Gabe zu respektieren ist, definieren können. Diese beträgt für eine

200 = 3 bis 4 Wochen
M = mindestens 4 Wochen
XM = 5 Wochen
LM = 50 Tage
CM = 3 Monate
DM = 6 Monate
MM = 1 Jahr

Diese Zahlen sind natürlich nur annäherungsweise zu verstehen, aber alle Schüler Kents haben sich von ihrem vorzüglichen praktischen Wert überzeugen können.[5]

Hochpotenzen in der homöopathischen Arzneimittelprüfung (HAMP)

Hochpotenzen werden nicht nur in der Behandlung von Patienten eingesetzt. Sie werden auch an Gesunden angewandt, um Arzneimittelbilder zu erstellen, die in Repertorien eingehen und dann zur Auswahl von Arzneimitteln nach dem Ähnlichkeitsprinzip bei Erkrankten verwendet werden.[24]

Dieses Verfahren ist auch unter den Homöopathen umstritten. Clemens von Bönninghausen glaubte bemerkt zu haben, dass bei höheren Potenzen die Wirkung der Arzneien „breiter“ werde, also mithin auch Symptome behandelt werden können, die nicht im originalen Arzneimittelbild, das mit niedrigen Potenzen erstellt wird, enthalten sind.

Bönninghausen schreibt:

Die höheren Potenzirungen scheinen ein Mittel darzubieten, die Arzneien assimilirbarer (assimilable) und mithin homöopathisch wirksamer zu machen.[25]

Und weiter:

Dem Verfasser scheint es hier an einem vollständig passenden Worte gemangelt zu haben, um seinen eigentlichen Gedanken auszudrücken. Er hat ohne Zweifel mit Mehreren von uns die Erfahrung gemacht, daß die höheren Dynamisationen, auch bei unvollständiger Ähnlichkeit, oft noch sehr gute Wirkung hervorbringen, wo die niedrigen Verdünnungen derselben Arznei gänzlich versagen. Durch den Nachsatz wird es einleuchtend, daß er diese Beobachtung habe wiedergeben wollen, und daß er dazu einen Ausdruck gewählt hat, welcher zugleich an unser Ähnlichkeitsgesetz erinnert. Wir und einige unserer alten Freunde haben schon seit vielen Jahren dasselbe in solchen Fällen erfahren, wo ein genau homöopathisch passendes Mittel nicht zu ermitteln war, und dabei gefunden, daß diese wertvolle Eigentümlichkeit der Hochpotenzen am Wahrscheinlichsten darin liegt, daß bei jeder höheren Dynamisation neue, bisher gleichsam schlummernde Kräfte aufgeschlossen werden, und so der Wirkungskreis der Arznei thatsächlich immer mehr erweitert wird. Diese allmählige Symptomenvermehrung durch Potenzierung ist uns bei längerer, genauer Beobachtung so unzweifelbar geworden, daß wir sie als ein neues, früher nicht erkanntes Naturgesetz ansehen, welches ebenso wunderbar, als vortheilhaft für die Praxis ist.

Bönninghausen ist also der Meinung:

Je höher die Potenz, desto breiter die Wirkung. Darin liege gerade der Vorteil der Ultrahochpotenzen (K-Potenzen, Fluxionspotenzen), dass man das Arzneimittelbild nicht mehr genau auswählen müsse.[22]

Wenn aber, wie Bönninghausen überzeugt ist, das Arzneimittelbild sich mit der Potenzhöhe ändert, dann liefern homöopathische Arzneimittelprüfungen allein aus diesem Grund Zufallsergebnisse. Für die Behandlung müsste dann genau die Potenz gewählt werden, mit der die homöopathische Arzneimittelprüfung durchgeführt wurde.

Der Autor Walter Meili ist indes gegenteiliger Ansicht:

Je höher die Potenz, desto tiefgreifender ihre Wirkung, desto größer die Gefahr heftiger Erstverschlimmerungen und desto ähnlicher muss das Mittel im Krankheitsfall sein, um wirken zu können.[26]

Auch Dr. Hans Wapler (1866–1951), Schriftleiter der Allgemeinen Homöopathischen Zeitschrift (AHZ) und „Tiefpotenzler“, schreibt im Jahre 1930:

Dass echte Hochpotenzen … einen gesunden Menschen arzneikrank machen können, dafür fehlt bisher jeder Beweis. Aus diesem Grunde lehnen wir die Arzneiprüfungen mit Hochpotenzen rundweg ab.[27]

Das Hochpotenzproblem

Die Entwicklung von immer höheren Potenzen bis hin zu Ultrahochpotenzen, die nur noch maschinell hergestellt werden können (Schüttelmaschinen, Rührgeräte, Fluxionsverfahren, Ultraschallanwendungen), wird mit „Beobachtungen“ begründet. Die Bandbreite der aufgrund von Beobachtungen zugeschriebenen Eigenschaften von Hochpotenzen ist groß: Hochpotenzen sollen schnell, „schlagartig“ wirken, aber auch „tief“ und „breit“ und sie sollen lange wirken und nahezu unbegrenzt haltbar sein.

Dass diese Eigenschaften teuer erkauft werden müssen, zeigt eine Berechnung des Pharmazeuten und Pharma-Unternehmers[28] Wolfgang Spaich:

Spaich hat in seinem Beitrag „Hochpotenzen und ihre Herstellung" (DHM 1954, S. 144) Berechnungen über die anfallenden Kosten bei der Herstellung einer Hochpotenz angestellt und kommt bei einer C100.000 auf einen Verbrauch von ca. 1 Tonne Alkohol (45%ig) mit einem Preis von ca. DM 5000.--, dabei sind Arbeitszeit (ca. 165 Tage) und Flaschenverbrauch nicht berücksichtigt.[29]

Die Entwicklung hin zu immer höheren Potenzen wurde nicht von allen Homöopathen mitgetragen. Pierre Schmidt schreibt:

In Deutschland teilt man die Homöopathen ein in Hochpotenzler (von der C 9 bis zur tausendsten und darüber), die man im allgemeinen als Schwärmer, die als Ärzte nicht ernstzunehmen sind, betrachtet, da das, was sie geben, nichts mehr vom Ausgangsstoff enthält, und in Tiefpotenzler (von der Urtinktur bis zur C 6, vielleicht noch bis zur C 9), die noch als ‚wissenschaftlich’ gelten, weil man aufgrund der Farbe, des Geruchs oder bestimmter physikalisch-chemischer Reaktionen in ihren Arzneien noch ein materielles Substrat nachweisen kann.[5]

Pierre Schmidt sieht sich als „Hochpotenzler“ in guter Gesellschaft:

Zahlreiche Ärzte wie Nash, Kent, Carleton, Erastus Case, Gladwin, Sherwood, Cunningham, Fincke, Majumdar, Gibson-Miller, Frau Tyler, SW John Weir und andere, haben Heilungen durch nichts weiter als Hochpotenzen publiziert.[5]

Voegeli allerdings gibt zu, dass eine „galenische“ Wirkung von Hochpotenzen nicht vorstellbar sei. Die wissenschaftlich orientierten Ärzte hätten deshalb großen Wert darauf gelegt, dass …

… ihre Anhänger nur ganz niedere Potenzen verwandten, also D 2, D 3 bis höchstens D 6, während andere, die etwas höher gingen, als Scharlatane abgetan wurden.[19]

Voegeli relativiert aber sogleich die Auffassung, dass in hohen Potenzen keine Wirksamkeit enthalten sein könne und „belegt“ das anhand eines Beispiels: Wenn man mit einem Wolllappen an einem Glas- oder Harzstab reibe, dann komme es ebenfalls zu einer Wirkung, die Voegeli außerhalb der Physik sieht. Es trete bei diesem Experiment „immaterielle Elektrizität“ auf (man beachte, dass die Quelle aus dem Jahre 1988 stammt).[19]

Es ist nicht zu übersehen, dass auch die „Hochpotenzler“ selbst unzufrieden sind mit der Situation, keine Erklärung für ihre Beobachtungen zu haben. Sie wissen, dass eine physikalisch-chemische Wirkung ausgeschlossen ist und wollen dennoch eine wissenschaftliche Begründung für ihre Beobachtungen.

Wir lesen bei Voegeli:

Zur Zeit müssen wir unumwunden zugeben, daß die Physik uns bisher noch keinerlei objektive Daten über das Wesen dieses Wirkungsprinzipes vermitteln konnte. Es ist auch nicht zu erwarten, daß die nähere Zukunft unser diesbezügliches Wissen bereichern wird. Wir stehen nach wie vor vor einem Rätsel, und es eröffnet sich keine Perspektive zu seiner Lösung im physikalischen Laboratorium.

In den homöopathischen Potenzen muß daher ein anderer Faktor wirksam sein, ein Faktor, der nicht molekularer Natur sein kann, sondern auf einer ganz anderen Ebene liegen muß. Unsere Potenzen wirken nicht chemisch noch grobphysikalisch auf unseren physischen Körper, bzw. auf seine Gewebsverbände ein. Das ist ausgeschlossen und muß einmal deutlich unterstrichen werden.[2]

Aber auch diese, für die „Hochpotenzler“ offenbar deprimierende Erkenntnis ist nicht in der Lage, Zweifel an der eigenen Beobachtung zu ermöglichen:

Muß es auf einen Beobachter, der fast täglich Gelegenheit hat, solche Reaktionen festzustellen, nicht fast lächerlich wirken, daß es ‚Wissenschaftler’ gibt, welche frisch und fröhlich in den Tag hinein behaupten, eine Hochpotenz könne nicht wirksam sein, weil sie keine Moleküle mehr enthalte? Als ob nur chemische Substanzen auf den lebenden Organismus einzuwirken vermöchten! Ist es denn nicht erwiesen durch zahlreiche Beobachtungen, daß Ärger eine Gelbsucht erzeugen kann? Ist etwa Ärger eine chemische Einwirkung, die durch die eingenommenen Ärgermoleküle erfolgt? Abmagerung von 10, ja 20 kg infolge Trauer oder Kummer hat wohl auch jeder von uns schon gesehen. Aber obwohl weder das eine noch das andere etwas Materielles ist, so ist doch die Gewichtsabnahme ein durchaus materielles, physisches Phänomen.[2]

Noch im Jahre 1961 versteigt sich Voegeli für seine Erklärungsversuche in Analogieschlüsse, die weder physikalisch zutreffend noch logisch haltbar sind. Bei der Wirkungsweise der Hochpotenzen müsse …

… man sich darüber klar sein, daß es sich dabei nicht um die Absorption einer größeren oder kleineren Menge einer medikamentösen Substanz handeln kann, sondern – wie beim Riechen – um eine Art Induktionswirkung, einen Vorgang, den wir ja aus der Elektrodynamik kennen, der aber ganz anderen Gesetzen unterworfen ist als ein materieller Prozeß. So ist eine Energie, z. B. ein elektrischer Strom, im ganzen Bereich des leitenden Vehikulums in gleicher Stärke vorhanden, ganz gleich ob dieses Vehikulum ein 10 cm dickes Kupferkabel oder ein nur 0,1 mm dicker Aluminiumdraht ist, d. h. welche leitende Substanz auch immer es ist und in welcher Form und Menge dieselbe auch besteht, das Potential teilt sich von der Stromquelle diesem ganzen Leitsystem bis in seine feinsten Verzweigungen in gleicher Weise mit. So ungefähr müßten wir uns die Verhältnisse in den homöopathischen Potenzen vorstellen.[19]

Die „Tiefpotenzler“ lassen die Überlegungen der „Hochpotenzler“ keineswegs gelten.

Walter Pischel berichtet aus seiner Zeit als Hospitant an der Leipziger homöopathischen Poliklinik mit den damaligen Homöopathen Wapler, Schoeler, Seyrich und Möckel.[30][B 2]

Er schreibt:

Der Streit um höhere Potenzen war durch diese Meinungen aus der Welt geschafft, denn Wapler formulierte — und jedem leuchtete das ein —, daß ‚die Persönlichkeit des Arztes und nicht die Hochpotenz heile, daß die Selbstheilkraft des Körpers so groß sei, daß viele Gesundungen auch ohne Mittel gekommen wären und daß vorwiegend organotrop behandelt werden müsse’ …

… Wapler war somit ganz das Kind seines Jahrhunderts. Er konnte gar nicht anders auf Grund seiner Ausbildungsherkunft in einer Zeit, in der an der Endstation des Lebens intensiv geforscht wurde und Ergebnisse erzielt worden sind. Für ihn gab es eine Grenzerweiterung der Homöopathie im Hinblick auf eine mögliche Dosenvariabilität zu hohen Potenzen nicht. Oder Urteile wie von Beuchelt prägten sich ein, daß „mit wenigen Ausnahmen vermeintliche therapeutische Wirkungen bei Verdünnungen über 1018 mehr oder weniger in den Bereich suggestiver Beeinflussung und der Selbstheilung des Körpers gehören.[B 3]

Hans Ritter schreibt:

Griesselich und Wapler seien ‚bis in die heutige Zeit’ [B 4] Tiefpotenzler.

Sie hätten …

… diese Dogmen mit oft viel härteren Worten als das bezeichnet, was sie wirklich sind: Alterserscheinungen, die nicht dadurch an realem Wert gewinnen, daß sie in der heutigen Homöopathie in zunehmendem Maße zur Dominanten werden.[31]

Kritische Betrachtung

Am Themenkomplex „Hochpotenzen“ zeigt sich das Dilemma der Homöopathie sehr deutlich: Es gilt das Diktat der „Beobachtung“. Zufallsbeobachtungen werden nicht als solche erkannt oder akzeptiert. Keine Beobachtung wird angezweifelt, alle Beobachtungen werden als Ergänzungen in das „System Homöopathie“ aufgenommen und lösen neue Erklärungsversuche sowie neue Handlungsvorschriften aus. Jeder Homöopath mit eigenen Beobachtungen kommt zu eigenen Schlussfolgerungen. Erst wenn man verschiedene Autoren und ihre Aussagen vergleicht, fällt auf, dass die Homöopathie kein in sich schlüssiges System ist. Dass die Homöopathie erst recht nicht mit gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang gebracht werden kann, ist unter Naturwissenschaftlern unstrittig und ist Thema vieler Artikel in der Homöopedia. Dass die Homöopathen das gern anders sähen, zeigt sich an den immer wieder zu findenden ungeeigneten Analogieschlüssen zu Beispielen aus der Physik, denen sich schon Hahnemann selbst bedient hat.

„Hochpotenzler“ schreiben Hochpotenzen Eigenschaften zu, die „Tiefpotenzler“ bei tiefen Potenzen sehen. So sollen sowohl tiefe Potenzen als auch hohe Potenzen bei akuten Krankheiten die richtigen Potenzen sein, je nachdem, welcher Strömung man angehört.

Widersprüche im Bereich der Hochpotenzen werden auch von Homöopathen gesehen. Viele Homöopathen halten ihre Probleme mit den hohen Potenzen nicht zurück und veröffentlichen ihre Gedanken zu dem Thema, wie man an der nachfolgenden – unvollständigen und beispielhaften – Literaturliste sehen kann:

  1. „Zum Hochpotenz-Problem“[32]
  2. „Das Hochpotenzproblem“[33]
  3. „Die leidigen Hochpotenzen“[34]
  4. „Hochpotenzen“[2]
  5. „Die leidigen Hochpotenzen“[35]
  6. „Hochpotenzen?“[30]
  7. „Hochpotenzen – Scheinarznei?“[36]
  8. „Klärung des Hochpotenzproblems?“[37]
  9. „Gedanken zur Behandlung mit Hochpotenzen“[38]

Aber obwohl Homöopathen die „Wissenschaftlichkeit“ der Homöopathie betonen, tun sie nicht das, was „Wissenschaft“ ausmacht: Sie stellen ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen nicht auf den Prüfstand. Offensichtliche Widersprüche halten die Homöopathen offenbar auch nicht für irrelevant, sonst gäbe es nicht so viele Artikel zu dem „leidigen Thema“. Aber sie halten sie nicht für klärungsbedürftig. Widersprüchliche Beobachtungen werden nicht angezweifelt. Im Gegenteil: Homöopathen fordern von ihren Anhängern stattdessen, Widersprüche auszuhalten. Mit den Worten des homöopathischen Arztes und Autors Georg von Keller:

Die beschriebenen, nebeneinander bestehenden Forschungsergebnisse Hahnemanns, die Verdünnung auf der einen Seite, die Potenzierung auf der anderen, sind nicht folgerichtig. Sie widersprechen einander und doch sind es experimentell gefundene Tatsachen. ... Nur, wenn man solche, scheinbar widersprüchliche Dinge in der Schwebe halten kann, läßt sich mit ihnen umgehen.[4]



Quellen- und Literaturangaben
  1. 1,0 1,1 Mössinger, Paul: „Homöopathie und Vitalismus“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 213.08 (1968): 350-356
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Voegeli, Adolf: „Hochpotenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 3.01 (1959): 11-18.
  3. von Dellmour, F.: „Konzentrationsverhältnisse homöopathischer Arzneimittel“, in: Documenta Homoeopathica 14: 3.
  4. 4,0 4,1 von Keller, Georg: „Über Q-Potenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 32.06 (1988): 227-238
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Schmidt, Pierre: „Über Potenzwahl und homöopathische Arzneipotenzierung“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 29.01 (1985): 4-13.
  6. Sauerbeck, Karl-Otto: „Wie gelangte Hahnemann zu den hohen Potenzen? Ein Kapitel aus der Geschichte der Homöopathie“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 235.06 (1990): 223-232
  7. von Dellmour, F.: „Konzentrationsverhältnisse homöopathischer Arzneimittel“, in: Documenta Homoeopathica 14: 261-298.
  8. Hahnemann, S.: „Die chronischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung“. 2. Auflage. Vierter Theil. (Schaub: Düsseldorf 1838), VI – VIII
  9. Hahnemann, S.: „Die chronischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung“. 2. Auflage. 1. Teil. (Arnold: Dresden - Leipzig 1835): 154
  10. Hahnemann, S.: „Zusatz. Anzeiger“ (1792): 2,23/24, 190 f.
  11. 11,0 11,1 Hahnemann, S.: „Die chronischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung“. 1. Teil. (Arnold: Dresden - Leipzig 1835)
  12. Vithoulkas, G.: „The Essence of Materia Medica“. (Jain: New Delhi 1988)
  13. Coulter, C. R.: „Portraits of Homoeopathic Medicines“. (Homoeopathic Educational Services: Berkeley 1986 - 1989)
  14. von Fimelsberg, Jost Künzli: „Kurze Biographie Korsakofs“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 5.04 (1961): 189-192.
  15. von Brunner, H.: „Ein neues Verfahren zur Herstellung handverschüttelter homöopathischer Hochpotenzen“, in: Documenta Hooeopathica der Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin (ÖGHM), Band 12, Seiten 283 bis 290, Maudrich Verlag
  16. Hahnemann, S.: „Organon der Heilkunst“. 6. Auflage. Leipzig 1921, § 270; Link zur Onlineausgabe (aufgerufen 19. September 2017)
  17. Ilse Muchitsch, Michael Frass: „Die Potenzwahl“, in: ÖAZ (Österreichische Apothekerzeitung), 55. Jahrgang Nr. 14, 9.7.2001; (PDF, aufgerufen am 19.11.2017)
  18. Galatzer, Norbert: „Gedanken zur Behandlung mit Hochpotenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 1.01 (1957): 33-36.
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 Voegeli, Adolf: „Die Dosierung in der Homöopathie“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 5.03 (1961): 109-123.
  20. Schmidt, Pierre.: „Über Potenzwahl und homöopathische Arzneipotenzierung.“, Zeitschrift für Klassische Homöopathie 29.01 (1985), 4-13
  21. von Keller, Georg: „Über die Wirkung der Hochpotenzen.“, Zeitschrift für Klassische Homöopathie 19.03 (1975), 97-101
  22. 22,0 22,1 von Keller, Georg: „Über Hochpotenzen.“, Zeitschrift für Klassische Homöopathie 32.04 (1988), 163-172
  23. von Keller, Georg: „Über die Wirkung der Hochpotenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 19.03 (1975): 97-101.
  24. Hahnemann, S.: „Organon der Heilkunst“. 6. Auflage. Leipzig 1921, § 128; Link zur Onlineausgabe (aufgerufen am 27. Januar 2018)
  25. von Keller, Georg: „Über die Wirkung der Hochpotenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 19.03 (1975): 97-101.; in der Quelle ist ein Verweis auf „einen Beitrag des Herrn v. Boenninghausen in der AHZ, Bd. 61, Heft 18, S. 141 aus dem Jahre 1860. Es handelt sich dabei um die Glossierung eines in der amerikanischen Monatsschrift „The American Homoeopathic Review" 1860 erschienenen Artikels von Fincke.
  26. Henninger, Christel: „Q-Potenzen und Potenzakkorde-(Eine Parallelentwicklung)“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 248.03 (2003): 132-140; darin Verweis auf: von Keller, Georg:„Über Q-Potenzen.“ Zeitschrift für Klassische Homöopathie 32.06 (1988): 227-238
  27. von Keller, Georg: „Dioscorea. Symptomensammlungen homöopathischer Arzneimittel“. Vorwort. Heidelberg: Haug. (1981)
  28. Robert Jütte: „The LM potencies in homoeopathy: From their beginnings to the present day“, Website des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch-Stiftung, 2007 (PDF, aufgerufen am 06. Januar 2018)
  29. Scholz, E.: „Zur Herstellung von homöopathischen Hochpotenzen nach dem neuen HAB“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 201.11 (1956): 391-392.
  30. 30,0 30,1 Pischel, Walter: „Hochpotenzen?“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 8.01 (1964): 3-20.
  31. Ritter, Hans: „Die dennoch leidigen Hochpotenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 6.05 (1962): 229-231.
  32. Gebhardt, Karl-Heinz: „Zum Hochpotenz-Problem“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 226.06 (1981), 221-223
  33. Schoeler, Heinz: „Das Hochpotenzproblem“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 216.01 (1971), 17-25
  34. Wiener, Kurt: „Die leidigen Hochpotenzen“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 201.03 (1956), 90-96
  35. Voegeli, Adolf: „Die leidigen Hochpotenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 6.04 (1962), 147-156
  36. von Fimelsberg, Jost Künzli: „Hochpotenzen-Scheinarznei?“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 18.01 (1974), 15-18
  37. Spaich, Wolfgang: „Klärung des Hochpotenzproblems?“, in: Allgemeine Homöopathische Zeitung 198.05/06 (1953), 118-121
  38. Galatzer, Norbert: „Gedanken zur Behandlung mit Hochpotenzen“, in: Zeitschrift für Klassische Homöopathie 1.01 (1957), 33-36


Anmerkungen und Originalzitate
  1. In letzter Konsequenz bedeutet Swans Gedanke, dass jedes Präparat bei hinreichend hoher Potenzierung gegen jede Krankheit wirksam wäre, also ein Allheilmittel sein müsse.
  2. Anmerkung Homöopedia: Das muss um 1946 gewesen sein, denn Pischel berichtet 1964 von seiner 18jährigen Erfahrung, die in der Leipziger homöopathischen Poliklinik begonnen habe.
  3. Anmerkung Homöopedia: Wapler und Beuchelt sind „Tiefpotenzler“.
  4. Damit ist das Jahr des Erscheinen des Textes gemeint, also 1962.